Das gigantische Leeluu-Habitat wird mit eiserner Hand regiert. Eine kleine Elite herrscht über alle Ressourcen, politischer Widerstand wird durch den Geheimdienst schon im Keim erstickt. Im Zentrum der Macht, dem abgeschotteten Administratorium, haben sich die Herren des Habitats behaglich eingerichtet.
Als ein Raumpilot auf Leeluu strandet und Kontakt mit dem Untergrund aufnimmt, beginnt eine verhängnisvolle Entwicklung – für die Regierung, für den Geheimdienst und für den Widerstand selbst.
Viele werden ihr Leben für Leeluu opfern müssen.
(5) Ein Leben für Leeluu
€12,95
D9E – Die Neunte Expansion Band 5
Dirk van den Boom – Ein Leben für Leeluu
Paperback, 250 Seiten
Kategorie: D9E - Die neunte Expansion
Schlagwörter: D9E, Dirk van den Boom, Reihe, Science Fiction, Space Opera
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Zelle 7 traf sich, wie immer, im verlassenen Lagerraum auf Ebene 34, unterhalb der glucksenden Abwasserrohre, wo es entsetzlich stank und grüner, dünner Schleim die kahlen Wände entlanglief. Eine flackernde Leuchtröhre erhellte den Versammlungsort gerade gut genug, dass sich niemand an den Entsorgungsanlagen stieß, die teilweise noch funktionierten und ihrerseits zum beinahe unerträglichen Gestank beitrugen. Neben dem toten Kontrollpult, das seit Jahrzehnten nicht mehr die Berührung eines Mechanikers gespürt hatte, stand das Metallskelett eines Sessels, seiner Polsterung bereits vor Ewigkeiten beraubt. Darin saß der Zellenführer, den sie alle nur unter dem Namen 1 kannten. Outi selbst trug die Nummer 6 und war damit das zweitjüngste Mitglied der Zelle 7. Alle trugen sie schwarze Masken, die das Gesicht vollständig bedeckten, egal ob Menschen oder Zardi. Auch ihre Stimmen wurden durch primitive Vocoder verzerrt, deren knarzende, winzige Lautsprecher sie um den Hals gebunden hatten. Sie kannten die wahren Namen ihrer Brüder und Schwestern nicht. Nur 1 wusste, wie sie hießen, und nur 1 war Mitglied von Zelle 8, der nächsten in der Hierarchie, die aus acht Zellenführern bestand. Es kam selten vor, dass das Komitee für Angewandte Glückseligkeit Zellenmitglieder verhaftete, aber es passierte und im Regelfall konnten diese dann nichts über die Identität ihrer Mitverschwörer berichten, egal wie intensiv das Komitee ihre Gefangenen auch folterte.
So sollte es sein. Es war gut für sie alle.
Outi war vor drei Jahren aufgenommen worden und seitdem hatte sie nie Probleme mit dem Komitee gehabt. Sie arbeiteten alle sehr behutsam und das Zellentreffen einmal im Monat war der einzige Anlass, der tatsächlich mit einem gewissen Risiko verbunden war. Ansonsten operierten sie über tote Briefkästen und Outi tat ohnehin meist nichts anderes, als Informationen weiterzuleiten, die sie bei ihrer offiziellen Arbeit in der Administration bekam oder die sie, ohne großes Aufsehen zu erregen, besorgen konnte. Sie wusste nicht, was mit diesen geschah und wer sie las, vertraute aber dem Zellenführer, dass alles an die höchsten Ebenen der Gruppe weitergeleitet wurde – in der Hoffnung, dass all dies irgendwann zur Befreiung, zur allumfassenden Revolution führen würde. Es war diese Hoffnung, die sie das Risiko eingehen ließ. Würde das Komitee sie fassen, wäre der Tod für sie unausweichlich, davon war sie überzeugt. Und sie würde ihr Ende willkommen heißen, denn die Folterkammern des Komitees waren dafür bekannt, ihre Opfer mit den auserlesensten Qualen zu traktieren, um alle Informationen aus ihnen herauszupressen.
Outi redete sich ein, keine Angst zu haben. Es war eine Methode, um nicht zu nervös zu werden, und sie funktionierte mal besser, mal schlechter.
Sie hockten sich auf den Boden um den Sessel herum, auf dem 1 ein Kissen platziert hatte, um zumindest einigermaßen ordentlich sitzen zu können. Outi wusste vom Zellenführer nur, dass er männlichen Geschlechts war. Menschen wie Zardi unterschieden sich in zwei Geschlechter und bei beiden Völkern waren die äußeren Attribute zur Unterscheidung gut auszumachen. Ob er aber der einen oder der anderen Spezies angehörte, das vermochte sie nicht zu erkennen. Beide Völker waren humanoid und vom Körperbau generell nicht verschieden genug.
»Ich freue mich, dass es euch allen gut geht«, hörte sie die knarrende Stimme aus dem Vocoderband und konzentrierte sich ganz auf das, was der Anführer ihnen zu sagen hatte. »Ich möchte erst einmal zwei Dinge berichten. Im kommenden Monat hat das Komitee für Angewandte Glückseligkeit eine Razzia in Sektor Blau-3 geplant, vor allem in den Kneipen und Amüsierstuben der Nachtschichten. Wer von euch da zu tun haben sollte, bitte aufpassen. Wir wissen nicht genau, wonach das Komitee sucht, aber wir vermuten, dass es schlicht darum geht, mal wieder Präsenz zu zeigen. Man wird ein paar Schieber und Dealer verhaften, wenn alles gut geht. Dennoch kein Grund, ein unnötiges Risiko einzugehen.«
Überall bestätigendes Kopfnicken. Outi war noch nie in ihrem Leben in Blau-3 gewesen, sie gehörte zur wohlhabenden Mittelschicht von Leeluu, die mit ihren Familien, beschützt von den Streifen der Proktoren, im Administratorium wohnten. Diese Razzia würde ihr Leben nicht gefährden, weder ihr offizielles noch das geheime. Wenn sie das Administratorium verließ, dann feierte sie ihre Partys in einem Sektor, wo sich die wohlhabenderen Bewohner Leeluus trafen, dort war es sicher und es kam auch nie zu Razzien, zumindest nicht zu solchen, die man bemerkte.
»Dann gibt es Gerüchte, wonach unsere Führung ein Abkommen mit der Radikalen Partei geschlossen habe, um sich Legitimität im Dezisionat zu verschaffen. Ich darf euch allen ausrichten, dass an der Geschichte nichts dran ist. Es gibt keine Kooperation mit irgendeiner Fraktion in der Regierung, egal wie sehr sie auch von angeblichen Reformen redet. Das haben wir schon vor langer Zeit aufgegeben und es wird damit auch nicht wieder begonnen. Schenkt diesem Gerede also bitte keine Beachtung.«
Outi zuckte mit den Schultern. Sie hatte davon gerade zum ersten Mal gehört. Sie vermutete, dass viele hier genauso wie sie einstmals in der Radikalen Partei aktiv gewesen waren, bis sie herausgefunden hatten, dass deren Führer auch nur vom Dezisionat bezahlt wurden oder Informanten des Komitees waren. Einige resignierten dann. Andere radikalisierten sich. Outi gehörte zu letzteren Gruppe.
»Ich hoffe, das ist damit geklärt.«
Niemand sagte etwas.
»Gut, dann kommen wir zu unserer geplanten Aktion. In drei Standardwochen ist das Festival der Gegenseitigen Beglückung. Wie immer werden die Sicherheitsmaßnahmen besonders stark sein. Es ist aber eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Bürger aus den anderen Sektoren ohne gesonderte Einladung Zugang zum Administratorium erhalten. Wir haben beschlossen, diese Chance zu nutzen. Der Gruppe gelang es, einige Ressourcen zu erlangen, die es uns erlauben sollten, bis zu einem Dezisionator vorzudringen, um ein Attentat durchzuführen.«
Die Stille war beinahe greifbar.
Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet.
Outi konnte sich nicht beherrschen. Das zischende Geräusch, mit dem sie entsetzt Luft ausstieß, war deutlich zu hören. Doch auch die anderen Mitglieder von Zelle 7 waren erschrocken. Und Outis Angst erhöhte sich noch, als der Zellenführer seine Ansprache fortsetzte.
»Alle Mitglieder unserer Gruppe, die einen legalen Aufenthalt im Administratorium haben, werden für die Vorbereitung dieser Aktion benötigt. Daher werden außergewöhnliche und keinesfalls risikolose Maßnahmen ergriffen. Eine spezielle Zusammenkunft der betreffenden Revolutionäre wird einberufen. Wer von euch dazugehört, könnt ihr in Kürze dem jeweiligen toten Briefkasten entnehmen, der die Einladung enthalten wird. Damit durchbrechen wir das Zellenprinzip und die Teilnehmenden werden wissen, dass sie alle Bewohner des Administratoriums sind – das sind bereits mehr Informationen, als wir normalerweise verbreiten. Aber wenn es uns gelingen sollte, die scheinbare Unverwundbarkeit der Dezisionatoren infrage zu stellen, haben wir mehr erreicht, als nur einen der Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen. Wir werden ein Fanal setzen. Wir werden die Revolution einen großen Schritt näher bringen. Tatsächlich könnte es sein, dass unsere Aktion die Revolution auslöst. Wir leben, liebe Freunde, wahrlich zu einer historischen Zeit.«
Die Stimme des Zellenführers hatte einen drängenden Unterton bekommen, und das war wohl auch notwendig. Es war eine Sache, Informationen weiterzugeben und sich einmal im Monat etwas Aufregung zu verschaffen, indem man zu einem verbotenen Treffen erschien und eine coole Maske trug. Es war etwas ganz anderes, einen der Führer Leeluus zu töten. War das überhaupt jemals gelungen? Outi war sich einigermaßen sicher, dass seit dem Aufstand vor 130 Jahren kein Mitglied des Administratoriums jemals ernsthaft in körperlicher Gefahr gewesen war. So gesehen war es wohl berechtigt, von einem Fanal zu sprechen.
Sie bemerkte, wie Aufregung sie ergriff. Nicht einfach nur Angst, sondern eine seltsame, zerstörerische Art von Vorfreude, eine Lust, die sie vorher nicht in sich entdeckt hatte, ein Verlangen, Teil von etwas zu sein, das ... das ...
... ein Fanal setzte, anders war es kaum auszudrücken.
»Wir müssen das nicht weiter diskutieren«, unterbrach der Zellenführer das Geknarze der durcheinandersprechenden Vocoder. »Jeder wird eine Aufgabe bekommen. Ich erwarte, dass die gesamte Zelle während des Festivals vor Ort ist. Wir werden eine genaue Aufstellung organisieren. Das Attentat wird begleitet durch Anschläge und Sabotageakte auf allen Ebenen. Ich möchte, dass die Sicherheitskräfte überall beschäftigt sein werden. Bis dahin müssen wir alle eisernes Schweigen bewahren. Ich erinnere euch an den Schwur und an die revolutionäre Disziplin.«
Niemand musste daran erinnert werden, dachte Outi. Verräter und Informanten hatten Konsequenzen zu fürchten. Spione für das Komitee wurden ebenso unbarmherzig ausgemerzt, wie das Komitee die Revolutionäre behandelte. Unachtsamkeit und Disziplinlosigkeit wurde mit Verrat gleichgesetzt. Niemand, der den Schwur leistete, war davor verschont. Auch Outi wusste, dass sie sich mit Leib und Seele der revolutionären Sache verschrieben hatte, und je mehr sie über die geplante Aktion nachdachte, desto mehr verschwanden Angst und Vorsicht, desto mehr stiegen Vorfreude und Erregung an.
Sie rutschte unruhig auf dem Boden hin und her, während der Zellenführer andere, unwichtigere Dinge zu verkünden begann. Sie konnte ihre Gedanken nicht von dem Attentat lösen, von ihrer möglichen Rolle darin, die mit jeder fortschreitenden Minute des Grübelns größer und ruhmreicher wurde. Und gefährlicher.
Das Kribbeln in ihrem Körper war sehr angenehm und Outi musste feststellen, dass der Gedanke an Chaos und Mord, an Aufstand und Umsturz vor allem eines bei ihr auszulösen schien.
Er machte sie irrsinnig scharf.
So sollte es sein. Es war gut für sie alle.
Outi war vor drei Jahren aufgenommen worden und seitdem hatte sie nie Probleme mit dem Komitee gehabt. Sie arbeiteten alle sehr behutsam und das Zellentreffen einmal im Monat war der einzige Anlass, der tatsächlich mit einem gewissen Risiko verbunden war. Ansonsten operierten sie über tote Briefkästen und Outi tat ohnehin meist nichts anderes, als Informationen weiterzuleiten, die sie bei ihrer offiziellen Arbeit in der Administration bekam oder die sie, ohne großes Aufsehen zu erregen, besorgen konnte. Sie wusste nicht, was mit diesen geschah und wer sie las, vertraute aber dem Zellenführer, dass alles an die höchsten Ebenen der Gruppe weitergeleitet wurde – in der Hoffnung, dass all dies irgendwann zur Befreiung, zur allumfassenden Revolution führen würde. Es war diese Hoffnung, die sie das Risiko eingehen ließ. Würde das Komitee sie fassen, wäre der Tod für sie unausweichlich, davon war sie überzeugt. Und sie würde ihr Ende willkommen heißen, denn die Folterkammern des Komitees waren dafür bekannt, ihre Opfer mit den auserlesensten Qualen zu traktieren, um alle Informationen aus ihnen herauszupressen.
Outi redete sich ein, keine Angst zu haben. Es war eine Methode, um nicht zu nervös zu werden, und sie funktionierte mal besser, mal schlechter.
Sie hockten sich auf den Boden um den Sessel herum, auf dem 1 ein Kissen platziert hatte, um zumindest einigermaßen ordentlich sitzen zu können. Outi wusste vom Zellenführer nur, dass er männlichen Geschlechts war. Menschen wie Zardi unterschieden sich in zwei Geschlechter und bei beiden Völkern waren die äußeren Attribute zur Unterscheidung gut auszumachen. Ob er aber der einen oder der anderen Spezies angehörte, das vermochte sie nicht zu erkennen. Beide Völker waren humanoid und vom Körperbau generell nicht verschieden genug.
»Ich freue mich, dass es euch allen gut geht«, hörte sie die knarrende Stimme aus dem Vocoderband und konzentrierte sich ganz auf das, was der Anführer ihnen zu sagen hatte. »Ich möchte erst einmal zwei Dinge berichten. Im kommenden Monat hat das Komitee für Angewandte Glückseligkeit eine Razzia in Sektor Blau-3 geplant, vor allem in den Kneipen und Amüsierstuben der Nachtschichten. Wer von euch da zu tun haben sollte, bitte aufpassen. Wir wissen nicht genau, wonach das Komitee sucht, aber wir vermuten, dass es schlicht darum geht, mal wieder Präsenz zu zeigen. Man wird ein paar Schieber und Dealer verhaften, wenn alles gut geht. Dennoch kein Grund, ein unnötiges Risiko einzugehen.«
Überall bestätigendes Kopfnicken. Outi war noch nie in ihrem Leben in Blau-3 gewesen, sie gehörte zur wohlhabenden Mittelschicht von Leeluu, die mit ihren Familien, beschützt von den Streifen der Proktoren, im Administratorium wohnten. Diese Razzia würde ihr Leben nicht gefährden, weder ihr offizielles noch das geheime. Wenn sie das Administratorium verließ, dann feierte sie ihre Partys in einem Sektor, wo sich die wohlhabenderen Bewohner Leeluus trafen, dort war es sicher und es kam auch nie zu Razzien, zumindest nicht zu solchen, die man bemerkte.
»Dann gibt es Gerüchte, wonach unsere Führung ein Abkommen mit der Radikalen Partei geschlossen habe, um sich Legitimität im Dezisionat zu verschaffen. Ich darf euch allen ausrichten, dass an der Geschichte nichts dran ist. Es gibt keine Kooperation mit irgendeiner Fraktion in der Regierung, egal wie sehr sie auch von angeblichen Reformen redet. Das haben wir schon vor langer Zeit aufgegeben und es wird damit auch nicht wieder begonnen. Schenkt diesem Gerede also bitte keine Beachtung.«
Outi zuckte mit den Schultern. Sie hatte davon gerade zum ersten Mal gehört. Sie vermutete, dass viele hier genauso wie sie einstmals in der Radikalen Partei aktiv gewesen waren, bis sie herausgefunden hatten, dass deren Führer auch nur vom Dezisionat bezahlt wurden oder Informanten des Komitees waren. Einige resignierten dann. Andere radikalisierten sich. Outi gehörte zu letzteren Gruppe.
»Ich hoffe, das ist damit geklärt.«
Niemand sagte etwas.
»Gut, dann kommen wir zu unserer geplanten Aktion. In drei Standardwochen ist das Festival der Gegenseitigen Beglückung. Wie immer werden die Sicherheitsmaßnahmen besonders stark sein. Es ist aber eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Bürger aus den anderen Sektoren ohne gesonderte Einladung Zugang zum Administratorium erhalten. Wir haben beschlossen, diese Chance zu nutzen. Der Gruppe gelang es, einige Ressourcen zu erlangen, die es uns erlauben sollten, bis zu einem Dezisionator vorzudringen, um ein Attentat durchzuführen.«
Die Stille war beinahe greifbar.
Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet.
Outi konnte sich nicht beherrschen. Das zischende Geräusch, mit dem sie entsetzt Luft ausstieß, war deutlich zu hören. Doch auch die anderen Mitglieder von Zelle 7 waren erschrocken. Und Outis Angst erhöhte sich noch, als der Zellenführer seine Ansprache fortsetzte.
»Alle Mitglieder unserer Gruppe, die einen legalen Aufenthalt im Administratorium haben, werden für die Vorbereitung dieser Aktion benötigt. Daher werden außergewöhnliche und keinesfalls risikolose Maßnahmen ergriffen. Eine spezielle Zusammenkunft der betreffenden Revolutionäre wird einberufen. Wer von euch dazugehört, könnt ihr in Kürze dem jeweiligen toten Briefkasten entnehmen, der die Einladung enthalten wird. Damit durchbrechen wir das Zellenprinzip und die Teilnehmenden werden wissen, dass sie alle Bewohner des Administratoriums sind – das sind bereits mehr Informationen, als wir normalerweise verbreiten. Aber wenn es uns gelingen sollte, die scheinbare Unverwundbarkeit der Dezisionatoren infrage zu stellen, haben wir mehr erreicht, als nur einen der Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen. Wir werden ein Fanal setzen. Wir werden die Revolution einen großen Schritt näher bringen. Tatsächlich könnte es sein, dass unsere Aktion die Revolution auslöst. Wir leben, liebe Freunde, wahrlich zu einer historischen Zeit.«
Die Stimme des Zellenführers hatte einen drängenden Unterton bekommen, und das war wohl auch notwendig. Es war eine Sache, Informationen weiterzugeben und sich einmal im Monat etwas Aufregung zu verschaffen, indem man zu einem verbotenen Treffen erschien und eine coole Maske trug. Es war etwas ganz anderes, einen der Führer Leeluus zu töten. War das überhaupt jemals gelungen? Outi war sich einigermaßen sicher, dass seit dem Aufstand vor 130 Jahren kein Mitglied des Administratoriums jemals ernsthaft in körperlicher Gefahr gewesen war. So gesehen war es wohl berechtigt, von einem Fanal zu sprechen.
Sie bemerkte, wie Aufregung sie ergriff. Nicht einfach nur Angst, sondern eine seltsame, zerstörerische Art von Vorfreude, eine Lust, die sie vorher nicht in sich entdeckt hatte, ein Verlangen, Teil von etwas zu sein, das ... das ...
... ein Fanal setzte, anders war es kaum auszudrücken.
»Wir müssen das nicht weiter diskutieren«, unterbrach der Zellenführer das Geknarze der durcheinandersprechenden Vocoder. »Jeder wird eine Aufgabe bekommen. Ich erwarte, dass die gesamte Zelle während des Festivals vor Ort ist. Wir werden eine genaue Aufstellung organisieren. Das Attentat wird begleitet durch Anschläge und Sabotageakte auf allen Ebenen. Ich möchte, dass die Sicherheitskräfte überall beschäftigt sein werden. Bis dahin müssen wir alle eisernes Schweigen bewahren. Ich erinnere euch an den Schwur und an die revolutionäre Disziplin.«
Niemand musste daran erinnert werden, dachte Outi. Verräter und Informanten hatten Konsequenzen zu fürchten. Spione für das Komitee wurden ebenso unbarmherzig ausgemerzt, wie das Komitee die Revolutionäre behandelte. Unachtsamkeit und Disziplinlosigkeit wurde mit Verrat gleichgesetzt. Niemand, der den Schwur leistete, war davor verschont. Auch Outi wusste, dass sie sich mit Leib und Seele der revolutionären Sache verschrieben hatte, und je mehr sie über die geplante Aktion nachdachte, desto mehr verschwanden Angst und Vorsicht, desto mehr stiegen Vorfreude und Erregung an.
Sie rutschte unruhig auf dem Boden hin und her, während der Zellenführer andere, unwichtigere Dinge zu verkünden begann. Sie konnte ihre Gedanken nicht von dem Attentat lösen, von ihrer möglichen Rolle darin, die mit jeder fortschreitenden Minute des Grübelns größer und ruhmreicher wurde. Und gefährlicher.
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