Ein mysteriöses Wesen übernimmt seit Generationen die Körper unschuldiger Menschen, um in deren Hülle zu leben. Unerkannt bewegt es sich unter den Menschen und beseitigt jeden, der seiner Existenz gefährlich werden könnte.
Im Jahr 1903 misslingt in Berlin die Übernahme eines neuen Körpers. Dabei wird ein Auserwählter geschaffen, der in der Lage ist, das Wesen zu vernichten. Er und seine Nachfolger bilden die Liga der Schatten und jagen den Unbekannten durch das gesamte zwanzigste Jahrhundert.
In unserer Gegenwart übernimmt Rachel die Jagd, zusammen mit einem Brüderpaar, das für ihren Schutz verantwortlich ist. Ihr Gegner hat bereits eine lange, blutige Spur hinterlassen und könnte in jeder Person stecken, der Rachel begegnet.
Kann die Liga endlich ihre Aufgabe erfüllen?
Liga der Schatten
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Andreas Zwengel – Liga der Schatten
Paperback, 260 Seiten
Kategorie: Phantastische Bibliothek
Schlagwörter: Phantastische Bibliothek, Phantastik
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Kapitel 1
Japan, 1816
Neun Gestalten schlichen in den Palast hinein und bewegten sich völlig lautlos, so wie sie es von Kindheit an in ihrer Ausbildung gelernt hatten. Sie waren Samurai und auf dem Weg, um ihren Fürsten zu töten. Durch diese Tat würden die neun Männer alles verlieren, ihren Stand, ihre Ehre, ihre Besitztümer und ihre Heimat. Fortan würden sie gezwungen sein, als Ronin durch das Land ziehen. Sofern sie diese Nacht überlebten.
Leicht war ihnen die Entscheidung nicht gefallen, denn sie hatten ihr Leben auf den Fürsten eingeschworen. Ein Schwur, der für einen Samurai bindend war. Doch der Mann, der dort drinnen schlief und seit einem Jahr ihre Provinz mit eiserner Hand auspresste, war nicht mehr der Mann, dem sie sich damals verpflichtet hatten. Darin waren sich die neun Samurai einig. Nur bei den Gründen für diese Veränderung gingen ihre Meinungen auseinander. Vor einem Jahr trat die Wandlung ein und bis heute konnte sich niemand die Ursache dafür erklären. Aber es konnte nicht so weitergehen, sonst würde der Fürst sie in den Untergang treiben.
Ôishi war der Vater von Hiroyuki und hatte sich dieser Mission nur aus dem einen Grund angeschlossen, seinen Sohn vor Schaden zu bewahren. Er glaubte nicht an die Geschichte vom besessenen Fürst. Vielleicht hatte dieser den Verstand verloren, aber es stand ihnen nicht zu, über ihren Herren zu richten. Unabhängig davon, wie grausam oder verrückt er sich aufführte. Ôishi glaubte felsenfest an das System, in dem er aufgewachsen war und seit nunmehr achtundfünfzig Jahren lebte. Nur die Liebe zu seinem Sohn zählte für ihn mehr. Nur deshalb zog er in seinem fortgeschrittenen Alter noch einmal in den Kampf.
Der Weg zu den Gemächern blieb in dieser Nacht unbewacht. Die Mitglieder der Leibgarde, die gerade Dienst taten, sympathisierten mit den Samurai und hatten sich zum vereinbarten Zeitpunkt zurückgezogen. Ôishi konnte ihnen keinen Vorwurf machen, denn die Leibgarde musste seit der Veränderung am meisten unter den Launen ihres Herrschers leiden. Er ließ sie die scheußlichsten Gräueltaten verrichten und hatte mehrere von ihnen aus nichtigen Gründen hinrichten lassen. Zwei Jugendfreunde von Hiroyuki dienten in der Leibgarde und hatten diese Aufgabe voller Stolz erfüllt, bis der Fürst letzten Monat einen von ihnen köpfen ließ, weil er angeblich während seiner Wache geschlafen hatte. Bei Hiroyukis Freund hatte diese Tat den letzten Funken von Loyalität beseitigt. Er scharte einige Gleichgesinnte um sich, und sie übernahmen gemeinsam den Dienst in dieser Nacht, um im entscheidenden Moment wegzusehen.
Hiroyuki hatte ihr Vorgehen genau geplant. Fünf der Samurai sollten die blutige Tat verrichten, während die übrigen vier sie nach außen hin absicherten. Neben seinem Vater und ihm würden noch sein langjähriger Freund Kimura und die beiden Kampfgefährten Asano und Kô die Gemächer des Fürsten betreten. Viele Krieger für den Meuchelmord an einem einzelnen Mann, aber sie mussten sichergehen, dass nichts und niemand den Tod des Fürsten verhinderte.
Geduckt schlichen sie durch die Gänge und mieden den Schein der Fackeln, um keine verräterischen Schatten zu werfen. Sie wussten von jeder Person, die sich in diesem Moment im Palast aufhielt. In diesem Teil des Gebäudes sollte sich nur der Fürst aufhalten, aber es konnte immer etwas Unvorhergesehenes passieren.
Wie Schatten schlüpften sie in das Schlafgemach hinein und versammelten sich um den ruhenden Körper. Fürst Oda war von jeher ein stattlicher Mann, doch in letzter Zeit genoss er das leibliche Wohl in vollen Zügen, ohne noch Grenzen zu kennen. Er aß und trank unmäßig, hielt sich gleich mehrere Konkubinen und vergriff sich an den Schülern seiner Samurai, ohne deren offizielles Liebesverhältnis, das Wakashudô, zu beachten. In dieser Nacht jedoch befand er sich allein in seinen Gemächern.
Die Samurai nahmen lautlos Aufstellung um das Bett herum. Als der Fürst die Augen aufschlug, zogen sie ihre Schwerter und begannen auf den Körper einzuschlagen. Es war ein brutales Schlachten, eines Samurais unwürdig, aber in ihnen allen hatten sich Hass, Wut und Angst bis zu einem unerträglichen Maß aufgestaut. Schließlich ließen sie ihre Waffen sinken. Ihre Klingen, ihre Kleidung und ihre Gesichter trieften vor Blut. Schweratmend betrachteten sie ihr Werk: die klaffenden Wunden, die kaum noch erkennen ließen, um wen es sich bei diesem Körper gehandelt hatte. Der Geruch des Blutes stieg ihnen in die Nase. Monate der Vorbereitung und dann hatte es nur wenige Sekunden gedauert. Hiroyuki verspürte den Drang, vor Erleichterung laut aufzulachen.
»Das war leicht«, sagte er und blickte auf die toten Überreste hinab. Sein Vater drehte sich zu ihm, hob sein Schwert und trennte Hiroyuki den Kopf vom Rumpf.
Noch bevor der Leib zu Boden sank, ging Ôishi in einer fließenden Bewegung in die Knie, während er gleichzeitig sein Katana waagrecht durch die Luft führte. Ein Ruck ging durch Kimura, und der Stoff über seiner Körpermitte färbte sich rot. Der junge Samurai brach in die Knie, während Ôishi sich erhob und seine Klinge auf den ungeschützten Nacken des Mitverschwörers herabsausen ließ.
Asano und Kô waren schockiert über diesen überraschenden Angriff, vergaßen darüber allerdings ihre Fähigkeiten nicht. Sie parierten die Attacken des alten Mannes, der gerade seinen Sohn und ihren Freund getötet hatte, und gingen zum Gegenangriff über.
Asano trennte dem älteren Mann den Unterarm ab, der zusammen mit Hand und Schwert zu Boden fiel. Ôishi taumelte zurück und zog mit der verbliebenen Hand ein Messer. Kô machte einen Sprungschritt vorwärts und trieb dem Verräter sein Schwert durch den Leib. Ôishi sackte in sich zusammen, während das Blut aus beiden Wunden sprudelte. In einer knienden Position und mit gesenktem Kopf hockte er auf dem Boden, während sich die Blutlache unter seinem Körper weiter ausbreitete. Die geköpfte Leiche seines Sohnes lag nur wenige Schritte von ihm entfernt.
Asano und Kô zogen sich von dem Mann zurück, blieben aber wachsam, weil sie damit rechneten, dass er einen weiteren Angriff versuchen könnte. Ôishi war schwer verletzt, aber noch nicht völlig kampfunfähig. Er presste den Armstumpf gegen seinen Rumpf und blickte sich verwirrt um, als wisse er überhaupt nicht, wie ihm geschehe. Als sein Blick auf den abgeschlagenen Kopf seines Sohnes fiel, stieß er einen lauten gequälten Schrei aus. Auf seinen Knien rutschte er durch das eigene Blut auf Hiroyukis Leiche zu, doch sein Gewand brachte ihn zu Fall, und er landete der Länge nach auf dem Boden. Klagend und wimmernd robbte Ôishi noch ein paar Schritte weiter und blieb liegen. Das Blut pulsierte weiter aus seiner Bauchwunde heraus, so starb er nur wenige Handbreit von der Leiche seines Sohnes entfernt. Asano und Kô vollführten noto, das rituelle Zurückstecken des Schwertes in die Scheide.
Alarmiert von den Schreien betraten nun auch die übrigen Samurai die Gemächer.
»Was geht hier vor?«, zischte Hyoto beim Eintreten ärgerlich. An seiner Seite erschien der junge Jun, sein momentaner Schüler. Von der anderen Seite betraten Samu und Mishima die Gemächer. Alle Samurai in dem Raum waren ehemalige Schüler von Hyoto und wären ihm überall hin gefolgt. Als sie das Blutbad in der Raummitte erblickten, schwiegen sie entsetzt. Sie alle hatten schon schlimmer zugerichtete Leichen erblickt, aber das waren Feinde gewesen. Kein Vater, der seinen eigenen Sohn tötete, noch dazu einen Sohn, den er abgöttisch liebte. Ôishis Tat ergab nicht den geringsten Sinn.
Zusammen mit Asano und Kô standen sie im Kreis um den Toten herum und wussten nicht, was sie tun sollten. Die sechs Samurai waren ratlos und konnten das Verhalten ihres Gefährten nicht begreifen.
Der Körper des jungen Jun straffte sich, und er begann zu sprechen. »Sieh an, meine tapferen Samurai erheben sich gegen ihren Herrn. Ihr begeht Verrat und beschmutzt eure Ehre.« Die Stimme klang amüsiert und gleichzeitig verächtlich, weil er nicht an die Dinge glaubte, von denen er da redete.
Die Samurai wichen erschrocken zurück und hoben ihre Schwerter.
»Zauberei«, entfuhr es Asano.
»Das ist Oda«, hauchte Kô. »Das ist unser Herr.«
Ohne Zögern schlug Hyoto mit seinem Schwert zu und trennte Juns Kopf vom Rumpf. »Es endet hier«, sagte der Samurai, trat wieder zurück und schob sein Schwert in die Scheide zurück.
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Mishima kichernd, riss sein Schwert in die Höhe und schlug es seitwärts in die Kehle seines Freundes Samu, der neben ihm stand. Sofort floss unterhalb der Klinge ein Sturzbach aus Blut über die Kleidung des Mannes. Ein zweiter Schnitt öffnete Samus Beinarterie. Weiteres Blut bedeckte den Boden, und sie mussten fortan noch mehr auf ihren Stand achten.
Wieder reagierte Hyoto als Erster. Er zog erneut seine Klinge und führte einen Schlag von oben rechts gegen den besessenen Mishima. Der Hieb glitt durch Haut, Knochen und innere Organe und spaltete ihn vom Schlüsselbein bis zum Bauchnabel. Sein ehemaliger Schüler verdrehte die Augen nach oben, und seine Hand löste sich vom Schwertgriff. Es gab wohl nichts Schlimmeres für einen Lehrer, als seinen eigenen Schüler töten zu müssen. Besonders im Fall von Mishima, der immer sein besonderer Günstling gewesen war. Hyoto hatte ihn von frühester Kindheit an trainiert, lange Zeit das Lager mit ihm geteilt und den jungen Mann stets als seinen Nachfolger betrachtet. Trotz all dieser Zuneigung hatte Hyoto im entscheidenden Moment sofort reagiert. Etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass die Person, die er tötete, nicht mehr sein Schüler war. Heißes Blut spritzte ihm ins Gesicht. Nicht zum ersten Mal in seinem Leben, aber dieses gehörte einem Freund, der von seiner Hand sterben musste. Hyoto stand abwartend, mit angewinkelter Hüfte, und versuchte, die Lage zu begreifen. Seine übrigen Schüler sahen ihn erschüttert an. Asano war der erste unter ihnen, der seine Stimme wiederfand. »Ist es nun vorbei, Meister?«
Es dauerte einen Moment, bis ihr ehemaliger Lehrer antwortete. »Es ist niemals vorbei«, knurrte Hyoto. »Ich fange gerade erst an.« Es folgte ein gerader Stoß mit angewinkeltem Ellenbogen, mit dem er die drei verbliebenen Samurai attackierte.
Asano und Kô wichen zurück. Ihnen dämmerte die Wahrheit, auch wenn sie keine Erklärung dafür besaßen. Die Samurai wussten nicht, wie das möglich sein sollte, was sich gerade in diesem Raum abspielte. Sie kämpften nicht gegen einen einzelnen Mann, sondern mussten sich in diesen Raum gegen einen wechselnden Gegner verteidigen. Jeder ausgeschaltete Angreifer wurde durch einen anderen ersetzt. Sie konnten einander nicht mehr vertrauen und niemandem den Rücken zukehren. Jeder konnte sich im nächsten Moment in einen Angreifer verwandeln.
Mit einem wilden Kampfschrei und erhobenen Schwertern stürmten die beiden Samurai auf ihren ehemaligen Lehrer zu.
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