Die sog. Epsilon-Bootes-Zivilisation hat eine unbemannte Raumsonde in unser Sonnensystem geschickt, die nicht mehr zurückkehren kann – Bote einer technologisch um 10.000 Jahre fortgeschrittenen Kultur. Und alle wollen sie haben.
Mark Brandis, der gegen seinen Willen in diese Affäre hineingezogen wird, muß erkennen, wie skrupellos die Jagd um die Trophäe verläuft und mit jeder Sekunde steigt die politische Spannung zwischen EAAU und VOR, denn wer die Sonde hat, ‚hat‘ die Welt.
(8) Raumsonde Epsilon
€6,99
Mark Brandis, Band 08
Ebook, 170 Seiten, Format Epub
Kategorie: Mark Brandis
Schlagwörter: Mark Brandis, Michalewski, Weltraumabenteuer
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Kapitel 01
Am 17. Januar 2075 um 11.13 Uhr Bordzeit legte Konstantin Simopulos, Radar-Controller im Range eines Lieutenants (VEGA) an Bord der Hermes, das Schicksal der Expedition in meine Hand. Er meldete sich über Bordfunk: »RC an Brücke! Sir, wir haben Schwierigkeiten mit dem Radar. Die Automatik zeigt rot.«
Das war eine Meldung wie viele andere im Verlauf eines Raumfluges, sie zeigte Schwierigkeiten an, die bewältigt werden mußten, aber dafür waren wir ja schließlich ausgebildet worden, daß wir mit Problemen fertig wurden. Der Blick in die Zukunft blieb mir verwehrt – und das war ein großes Glück. Wer weiß, wie ich mich sonst entschieden hätte!
»Roger, RC«, bestätigte ich. »Die Automatik ist ausgefallen. Was ist mit dem Gerät selbst?«
»Die Anzeige ist in Ordnung, Sir«, sagte Lieutenant Simopulos. »Der Schaden hat nur die Automatik lahmgelegt. Falls wir auf Meteoriten stoßen, bleibt uns keine Vorwarnzeit.«
»Ich verstehe. Wieviel Zeit brauchen Sie, um den Schaden zu beheben, Lieutenant?«
»Ich fürchte, Sir«, sagte der Radar-Controller, »ich muß Sie enttäuschen. Mit Bordmitteln ist der Schaden nicht zu beheben. Man müßte die ganze Elektronik auseinanderreißen.«
Mit wenigen nüchternen Worten war das Gelingen einer Expedition in Frage gestellt, die zu den meistversprechenden des Jahres zählte: sorgfältig vorbereitet, dem besten und schnellsten Schiff übertragen, das unter der Flagge der EAAU den Äther furchte. Vor dem Bug der Hermes lag der geheimnisumwitterte Planet Pluto. Zwölf Tage trennten uns nur noch von der Landung auf dem fremden, nie betretenen Gestirn – zwölf Tage: und auf den Raumkarten würde dank dieser Forschungstat ein weiterer weißer Fleck getilgt werden können.
Ein gewaltiges wissenschaftliches Programm baute sich auf der Reise der Hermes auf. Ungeduldig wartete ein ganzes Heer von Astrophysikern und Ingenieuren auf die ersten exakten Analysen.
Dementsprechend lautete mein Befehl: Erkundung und Inbesitznahme des Planeten Pluto.
Neunzehn ereignislose Wochen hatte dieser Befehl die Hermes durch leere, unerforschte Räume geführt. Weder astrale Stürme noch Meteoritenschwärme hatten den Flug beeinträchtigt.
Schiff und Crew befanden sich zwölf Schritte vor dem Ziel. Aufgeben oder weiterfliegen: die Entscheidung lag in meiner Hand; niemand konnte sie mir abnehmen. Ich als Commander trug die Verantwortung.
»Roger, RC«, sagte ich. »Ich vermerke Ihre Schadensmeldung im Bordbuch.«
»Sir!« Lieutenant Simopulos‘ Stimme klang beunruhigt. »Wir fliegen ohne Vorwarnung!«
»Ich habe es zur Kenntnis genommen«, bestätigte ich kühl. »Danke, Lieutenant.«
Nüchterne Überlegungen gaben für diese Entscheidung den Ausschlag. Der aufgetretene Defekt am Radarsystem war unangenehm, denn die sogenannte Vorwarnzeit war bei einem Zusammentreffen mit Meteoriten ein wichtiger Sicherheitsfaktor; da er jedoch weiter keinen Einfluß hatte auf die Navigation, sah ich keinen Anlaß, die Expedition abzubrechen, zumal die Wahrscheinlichkeit, bei dieser letzten Flugetappe auf Meteoritenschwärme zu stoßen, verhältnismäßig gering war.
Auch ein Abbruch der Expedition schaffte die Gefahr nicht aus der Welt, sondern verringerte sie lediglich um vierundzwanzig Tage; denn mit dem Defekt mußten wir nun einmal zurückfliegen, gleichgültig, ob wir sofort kehrtmachten oder erst auf Pluto landeten, um unseren Auftrag zu erfüllen.
Aus dem Kartenhaus meldete sich lwan Stroganow, der Navigator. »NC an Brücke. Sir, ich kann Ihnen nur beipflichten. Ihre Entscheidung ist korrekt.«
Über das dienstliche Verhältnis hinweg, das an Bord für strenge Ordnung sorgte, verband uns eine langjährige, durch unzählige gemeinsame Flüge gefestigte Freundschaft. Der breitschultrige Sibiriak, der in seiner Jugend noch die Windjammerzeit der Raumfahrt erlebt hatte, war ein hervorragender Navigator mit einem schier unerschöpflichen Erfahrungsschatz: sein Urteil wog darum doppelt und dreifach. Ich drückte die Taste. »Danke, Lieutenant. Ihr Zuspruch kam gerade zur rechten Zeit.«
Ich schmeichelte nicht. Einsame Entschlüsse hinterlassen stets ihre Narben: auf ihnen lastet die Verantwortung für Schiff und Besatzung. Wer sie nicht zu treffen vermag, sollte nicht Commander werden. Aber auch der Commander ist nur ein Mensch, geplagt von Zweifeln und Ängsten; insgeheim zehrt er von der Meinung seiner Besatzung.
Die Entscheidung war getroffen; ich vermerkte sie im Bordbuch und dachte nicht länger darüber nach. In diesem Punkt hielt ich es mit Napoleon, der einmal zu einem zaudernden Offizier gesagt haben soll: etwas Falsches zu tun sei immer noch besser, als gar nichts zu unternehmen.
Captain van Kerk, der Pilot, warf einen Blick auf die Uhr. »Fast Essenszeit, Sir! Haben Sie eine Ahnung, was heute auf der Karte steht?«
»Milchstraßensuppe, wenn mich nicht alles täuscht«, erwiderte ich, »danach entweder Stier oder Steinbock. Unser Koch war sich heute früh noch nicht ganz schlüssig.«
»Ausgezeichnet, Sir«, bestätigte Captain van Kerk mit todernstem Gesicht. »Die Wahl zwischen Zwillingen am Spieß oder Jungfrau vom Grill wäre mir erheblich schwerer gefallen.«
Unsere Scherze wiederholten sich; der Witz hatte sich aufgebraucht. Die Eintönigkeit der Reise zehrte an den Nerven; im Hintergrund des Einerleis der Tage lauerten Spannungen und Verdruß. Irgendwann kommt für jede Besatzung die Stunde, in der sie der Gefangenschaft im dahinstürmenden, gleichwohl scheinbar unbeweglichen Schiff müde wird. Unsere Erwartungen richteten sich nun allmählich auf die bevorstehende Landung. Die Abwechslung würde den wachsenden Mißmut hinwegfegen.
Mit dem Ertönen des Gongs, der die Mittagsmahlzeit ankündigte, versammelte sich die gesamte Hermes-Crew in der Messe. Per Dahlsen, der Koch, servierte.
Nicht nur mit ihrem Protonenantrieb hatte die Epsilon-Klasse, zu der auch die Hermes gehörte, eine neue Ära der Raumfahrt eröffnet. Für das Bezwingen großer Räume war neben der Geschwindigkeit das Wohlbefinden der Mannschaft ausschlaggebend. Konzentrierte Nahrung, wie sie an Bord anderer Schiffstypen mitgeführt wurde, mochte zwar den Hunger stillen, aber das allein genügte ja nicht. Die Hermes – für lange Expeditionen entworfen und gebaut – verfügte aus diesem Grunde über ihr eigenes, autonomes Küchenreich, in dem Per Dahlsen König war. Seine Gefrierkammern strotzten von mitgeführten Fleischsorten und Gemüsen. Ein Jahr lang konnte eine achtköpfige Besatzung darin schwelgen.
Iwan Stroganows Windjammerzeit war ferne Vergangenheit. Statt spartanisch ausgerüsteter Karavellen kreuzten nun riesige Luxusliner unter den Sternen: vollklimatisiert, ausgestattet mit einem bordinternen Schwerefeld, bequemen Schlaf- und Ruheräumen und allen sanitären Anlagen.
Zum erstenmal an diesem Tag bestand für mich die Hermes-Besatzung nicht aus jederzeit abrufbereiten Stationen mit ihren blechern-unpersönlichen Stimmen, sondern aus vertrauten, lebendigen Gesichtern, und jeder von ihnen durfte erwarten, daß der Commander mit ihm sprach.
»Ausgezeichnet, was Sie da mal wieder auf den Tisch des Hauses gezaubert haben, Sergeant!«
»Oh, Sir – nicht der Rede wert!« Per Dahlsen, der Smutje, strahlte. »Es ist und bleibt schließlich ein Notbehelf. Bei den nächsten Expeditionsschiffen muß unbedingt noch ein Küchengarten für frische Kräuter mit eingeplant werden.«
»Es gibt da einige neue Theorien zum Thema Lichtgeschwindigkeit, Mr. Xuma. Wollen Sie mein Lesegerät einmal haben?«
»Herzlich gern, Sir.« William Xuma, der Erste Ingenieur, neigte zustimmend sein schwarzes Haupt. »Vielleicht heute abend.«
»Der Schaden am Radar ist gewiß ärgerlich, Lieutenant – aber wie ich sehe, lassen Sie sich dennoch den Appetit nicht verderben.«
»Mein Appetit, Sir« – Konstantin Simopulos, der Radar-Controller, grinste – »hat noch niemals Rotlicht gezeigt.«
»Mr. Stroganow – was halten Sie anschließend von einer kleinen Schachpartie?«
»Sehr gern, Sir«, willigte lwan Stroganow, der Navigator, ein, »auch wenn man schon einen ganzen Computer aufbieten muß, um Sie zu schlagen.«
»Aber ganz und gar nicht. Erst gestern hat mich Lieutenant Mercier mit dem sechsundvierzigsten Zug schachmatt gesetzt. Stimmt‘s, Mr. Mercier?«
»Fast«, bestätigte Antoine Mercier, der Funker. »Es war eine perfekte Falle, und ich lief direkt hinein. Es kostete mich die Dame.«
»Ihrem Gesicht, Captain«, fuhr ich fort, mich meinem Piloten zuwendend, »sehe ich an, daß Ihnen das heutige Menü mundet. Was ist es denn, woran Sie nagen? Zwilling oder Jungfrau?«
»Zu meiner Beruhigung«, antwortete Captain van Kerk mit der ihm angeborenen unnachahmlichen Trockenheit des Ausdrucks, »handelt es sich hierbei um ein schlichtes Steak. Ich erwähne dies, obwohl es mir schwerfällt, Ihre Illusionen zu zerstören, Sir.«
»Was ich Sie, Mr. Koskinen, schon lange fragen wollte: Trifft es zu, daß Sie eine Professur ausgeschlagen haben, um an dieser Expedition teilzunehmen?«
Usko Koskinen, der Zweite Ingenieur, blickte auf. »Es ist also durchgesickert. Was soll ich dazu sagen, Sir? Nichts gegen eine Professur! Aber was ist der beste Lehrstuhl im Vergleich mit dieser Reise? Als erste Menschen betreten wir den Pluto!«
»Offen gesagt, Lieutenant: wenn Sie sich anders entschieden hätten, wäre ich betrübt gewesen.«
»Es freut mich, daß Sie das sagen, Sir.«
»Nach unserer Rückkehr werden Sie sich noch einmal entscheiden müssen. Mr. Xuma wird möglicherweise zu einem anderen Projekt versetzt werden. Ich würde Sie dann als meinen Ersten vorschlagen.«
»Ich glaube, Sir, wir könnten uns einig werden.«
So verging auch diese Mahlzeit: die dreihundertundzwölfte, seitdem die Hermes ihre Umlaufbahn um die Erde verlassen hatte, um vorzustoßen in die unendliche Leere eines unerforschten Raumes. Ein Tag wie alle andern zuvor auch.
Noch ahnte niemand an Bord, daß das Scheitern der Expedition unvermeidlich war.
Es kündigte sich an, als mich Lieutenant Simopulos‘ Lautsprecherstimme aus dem Schlaf riß.
»RC an Commander, RC an Commander! Dringend! Meteoriten auf Kollisionskurs!«
Als ich im Cockpit eintraf, waren die Würfel bereits gefallen. Das Fehlen der Vorwarnzeit rächte sich. Genau um zehn Sekunden zu spät setzte das Zusammenspiel zwischen dem Radar und dem Bordcomputer ein. Der Zusammenprall mit der Meteoritenwolke ließ sich nicht mehr vermeiden.
Das vom Bordcomputer ausgelöste Ausweichmanöver überraschte mich, als ich noch auf den Beinen war. Hilflos rollte ich durch das Cockpit, bis es mir gelang, mich an der Verankerung meines Sessels festzuhalten und hochzuziehen. Ich warf mich in das Polster, und die Gurte rasteten ein.
»Brücke an RC! Frage: Wie groß ist das Feld?«
»Ausgedehnter, als uns lieb sein kann, Sir!« Lieutenant Simopulos bemühte sich um eine korrekte Formulierung – aber er fügte hinzu: »Sämtliche Anzeigen spielen verrückt. Das Zeug ist wie eine Mauer.«
Das Meteoritenfeld war nicht nur ausgedehnt – es war gewaltig. Der Bordcomputer ließ nichts unversucht, um den Zusammenstoß, der sich nicht mehr verhindern ließ, wenigstens abzuschwächen. Ein halsbrecherisches Flugmanöver jagte das andere – und in der Tat: statt mit dem massiven Kern der Wolke zu kollidieren, stieß die Hermes lediglich mit einem der dünneren Ausläufer zusammen. Nach einigen unbehaglichen Sekunden war es überstanden; aus dem Lautsprecher kam die erlösende Meldung: »RC an Brücke! Sir, wir sind durch! Vor uns nichts als reiner Himmel.«
»Danke, RC«, bestätigte ich. Im Anschluß drückte ich Alle Stationen.
»Hier spricht der Commander. Die Hermes kollidierte soeben mit dem Ausläufer eines Meteoritenfeldes. Ich bitte um die Schadensmeldungen.«
In der üblichen Reihenfolge trafen die Klar-Schiff-Meldungen ein. Die Hermes war unversehrt; nur eine Station reagierte auf meine Aufforderung mit einer Schadensmeldung.
»FK an Brücke. Antennenausfall.«
»Roger, FK. Wie sehr ist die Antenne beschädigt?«
»Ich versuche gerade, sie ins Bild zu bekommen. Jetzt habe ich sie! Der Schaden läßt sich beheben, Sir. Allerdings müßte sich Koskinen am besten gleich ins Freie bemühen.«
Der Antennenausfall war bedenklich. Solange der Schaden nicht behoben wurde, blieb die Hermes ein von ihren Verbindungen abgeschnittenes Schiff: unfähig zu senden, unfähig zu empfangen.
Wieder lag es an mir, richtig zu entscheiden.
Ich beschloß, mit der Reparatur – da sie sich offenbar ohne größere Schwierigkeiten durchführen ließ – nicht zu warten.
»Roger, FK. Ich veranlasse alles Erforderliche.«
Ich rief das Technische Überwachungs-Center.
»Brücke an Maschinenraurn. Es gibt da einen kleinen Ärger mit der Außenantenne. Ich wäre Lieutenant Koskinen sehr verbunden, wenn er die Sache in Ordnung brächte.«
Lieutenant Koskinen meldete sich. »Sofort, Sir?«
»Sofort!« sagte ich. »Bringen wir‘s hinter uns. Nehmen Sie alles für eine Antennenreparatur Erforderliche mit – dann brauchen wir Sie nur einmal durchzuschleusen.«
Einige Minuten später meldete sich Lieutenant Koskinen bei mir ab. Er trug bereits den Raumanzug. Bevor er in die Schleuse kletterte, schaltete er die Beatmung ein.
An diesem Ausstieg war nichts Ungewöhnliches. Kleinere Reparaturen im Freien auszuführen: das gehörte zu den Pflichten eines Zweiten Ingenieurs. Die Tätigkeit war im allgemeinen ungefährlich; man mußte dabei nicht einmal die Fahrt aus dem Schiff nehmen.
Was sollte da schon passieren!
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