Eine gigantische Flotte von Raumschiffen bringt Tod und Vernichtung über den Planeten Elgin und seine Bewohner. Der junge Pilot Paz Nadir kämpft für die Rettung seiner Heimat und um sein Überleben. Sein Weg führt ihn in die Tiefen des Alls und auf fremde Welten, wo er zum Spielball der Mächte zu werden droht.
Wer ist Hentscher Rof? Was erwartet Nadir auf der Raumstation Penquareel? Was suchen die geheimnisvollen Torshoi, die aus tiefer Vergangenheit wieder auftauchen? Welche Ziele verfolgt die Bruderschaft von Taronn? Was hat es mit den Gnossanden auf sich? Und wird Ville Sterndaal, der Herrscher von Cheros, der Verantwortung für sein Volk und ein ganzes Sonnensystem gerecht werden?
Die Nadir-Variante
€8,99
Die Nadir-Variante
Armin Rößler, Ein Roman aus dem Argona-Universum
Ebook, 300 Seiten, Format Epub
Kategorie: Armin Rößlers Argona-Universum
Schlagwörter: Argona-Universum, Armin Rößler, Science Fiction, Space Opera, Weltraumabenteuer
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Der Weltraum brannte.
Tödliche Energiestrahlen fanden ihr Ziel, Raumschiffe explodierten, Menschen starben.
Paz Nadir fluchte, während er seinen Jäger durch das Inferno steuerte. Er kam kaum dazu, auf die Angreifer zu feuern. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, den gegnerischen Schüssen auszuweichen. Die Daten auf seinen Schirmen verkündeten eine schreckliche Bilanz: Die Verluste waren längst im dreistelligen Bereich.
Nadir befürchtete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch sein Schiff getroffen wurde. Aber er war noch nicht bereit zu sterben. »Heute nicht«, knurrte er.
Die Zahl der Angreifer wuchs unaufhörlich. Die sieben riesigen Mutterschiffe hatten am Rand des Sonnensystems Position bezogen, in direkter Nachbarschaft zu dem Wurmloch, aus dem sie so überraschend gekommen waren. Sie näherten sich Elgin nicht, sondern verharrten an Ort und Stelle. Sie transportierten das Verderben vieltausendfach in sich. Sie spuckten es aus. Und es verbreitete sich rasch, wie eine ansteckende Krankheit, die nicht aufgehalten werden konnte.
Die kleinen Schiffe hatten einen harmlosen Eindruck gemacht. Es gab keine einheitlichen Maße und keinen besonderen Bautyp. Manche hatten einen Durchmesser von nicht mehr als zehn Metern, die größten mochten hundertfünfzig Meter lang sein. Sie waren rund, röhrenförmig oder ähnelten plumpen Kästen. Einige wirkten, als seien sie aus den Überresten anderer zusammengesetzt worden; manche schienen der Phantasie eines verrückten Konstrukteurs entsprungen zu sein. Nichts ließ erkennen, dass sie zusammengehörten – außer der Tatsache, dass sie gemeinsam den Bauch der Mutterschiffe verlassen hatten.
Da die Fremden nicht auf Funksprüche reagierten, war ihnen ein Teil der elginschen Wachflotte entgegengeschickt worden. Nadir wusste, dass das Oberkommando anfangs an eine friedliche Kontaktaufnahme glaubte, die nur aufgrund eines Verständigungsproblems nicht sofort zustande kam. Wie naiv, dachte Paz Nadir. Er selbst hatte Misstrauen verspürt, als er von den fremden Schiffen erfahren hatte. Doch er hätte, das gestand er sich ehrlich ein, keinen konkreten Grund dafür nennen können. Inzwischen war es zu spät: Jeder wusste, was die Fremden wollten. Tod und Zerstörung.
Wie wütende Hornissen hatten sich ihre kleinen Schiffe auf die elginsche Flotte gestürzt und sie binnen weniger Minuten ohne Vorwarnung vollkommen aufgerieben. Die ersten Schüsse kamen aus heiterem Himmel, und sie hatten eine verheerende Wirkung. Die Waffen der Fremden waren mächtig, ihre Zahl groß. Die Schiffe Elgins hatten keine Chance.
Der Schock dauerte nur kurz. Nadirs Befehlshaber wussten, was die Stunde geschlagen hatte, und sie reagierten so schnell, wie es ihnen möglich war. Die zweite Flotte, die sie zu den Fremden schickten, hatte einen klaren Auftrag: Gegenwehr. Kampf. Vernichtung des Feindes. Gelang das nicht, musste er vertrieben werden – oder so lange aufgehalten, bis Unterstützung kam. Das Oberkommando hatte Boten entsandt, die in benachbarten Sonnensystemen, bei Elgins Freunden, um Hilfe werben sollten. Nadir hoffte, dass bald die ersten Schiffe von dort eintreffen würden. Wenn es dann nicht zu spät ist, dachte er mit leiser Verzweiflung.
Paz Nadir war auf Minman stationiert gewesen, als der Alarm ausgelöst wurde. Der Mond Machakecs, des fünften Planeten im Elgin-System, war ein kahler Gesteinsbrocken, bar jeglicher Bodenschätze und doch von großem Wert – als Stützpunkt und Trainingszentrum der Flotte. Nadir, ein junger Pilot mit umfangreicher Ausbildung, aber ohne Kampferfahrung, hatte hier den letzten Schliff erhalten. Chiantz, Mundil, Crook und ihre Kollegen zählten zu den besten Ausbildern, und sie hatten ihm, der sich für gut gehalten hatte, noch eine ganze Menge beibringen können. Wofür?, war ein Gedanke gewesen, der Nadir oft gequält hatte. Es hatte ihn immer in den Weltraum gezogen, und er fühlte sich am wohlsten, wenn er sein Raumschiff bis an die Grenzen der Belastung treiben konnte. Doch Elgin war eine Welt ohne größere Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass sein Heimatplanet seine Dienste für eine längere Zeit benötigen würde. Kriegerische Auseinandersetzungen hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Bis jetzt. Und nun bekam endlich auch wieder die Flotte ihren Sinn, über deren schrittweise Verkleinerung die Politiker immer mal wieder philosophierten, wenn sie um die Wählergunst buhlten. Was für ein Glück, dass es nicht so weit gekommen ist, dachte Nadir.
Dennoch: Die Flotte war schon schlagkräftiger als heute gewesen. Den Fremden war sie hoffnungslos unterlegen. Die größeren Schiffe erwiesen sich als zu schwerfällig, die kleineren hatten Mühe, koordinierte Angriffe zu fliegen, war doch die Ordnung in den eigenen Reihen längst verloren gegangen.
Nadir saß in einem der modernsten Jäger Elgins, Typ Susko-34, optisch einem klassischen Kampfflugzeug nachempfunden, rund dreiundzwanzig Meter lang, sechs Meter hoch, mit einer Spannweite von knapp fünfzehn Metern. Damit stellte er ein sehr kleines Ziel dar, das nicht einfach zu treffen war. Wichtiger noch waren seine Offensivqualitäten. Der Susko besaß eine extrem hohe Manövrierfähigkeit, die ihm eine aberwitzige Wendigkeit bescherte, er trug ein großes Waffenarsenal mit sich herum, war unglaublich schnell und verfügte über einen weiten Einsatzradius. Es war keine zehn Tage her, dass Nadir erstmals in einem der brandneuen Suskos, frisch von der Werft ausgeliefert, hatte Platz nehmen dürfen. Der Pilot fühlte sich in dem kleinen Jäger sofort wohl. Das ist genau mein Schiff, freute sich Nadir. An einen Ernstfall hatte er da noch keinen Gedanken verschwendet. Und jetzt steckte er mittendrin.
Das Modul, das in seinem Handgelenk implantiert war, piepste leise. Er hatte eine tiefe Abneigung gegen das Gerät, doch jetzt rettete es ihm das Leben. Seine Finger flogen über die Kontrollen. In letzter Sekunde machte der Susko einen Hüpfer und wich einem grellen Strahl aus, der ihn mittschiffs durchbohrt hätte. Nadir erwiderte das Feuer: Die Energiekammern waren zu drei Vierteln gefüllt, er würde sich also eine Weile seiner Haut erwehren können, falls er lange genug lebte. Der Schuss traf, das gegnerische Schiff – ein Ellipsoid, dessen Oberfläche mit unendlich vielen Antennen übersät war, sodass es aussah wie ein überdimensionaler Igel – zerplatzte wie eine reife Frucht. »Stirb«, flüsterte Nadir und fühlte sich gut dabei. Er fragte sich nur kurz, wie die Fremden da drüben aussehen mochten, dann konzentrierte er sich wieder auf die Schlacht.
Sein Jäger stob durch die Trümmerwolke, in die sich das Igel-Schiff verwandelt hatte. Nadir hielt Ausschau nach dem nächsten Ziel. Die Anzeigen bestätigten seine Befürchtungen: Die Übermacht war längst nicht gebrochen, und er hatte Zweifel, ob das überhaupt gelingen konnte.
Nicht aufgeben, sagte er sich. Elgin darf nicht …
Der Angriff kam unerwartet. Der Schuss verfehlte den Susko nur knapp, Nadir änderte instinktiv die Flugrichtung und konnte so auch dem nächsten Energiestrahl ausweichen. Er beschleunigte und feuerte gleichzeitig mit den Heckkanonen. Einen Treffer landete er zwar nicht, aber es reichte, um das andere Schiff abzuschütteln.
Das war Glück, dachte Nadir. Er merkte, wie ihn die Schlacht mitnahm. Das Geschehen drohte, immer unwirklicher zu werden. Nadir war völlig auf seinen eigenen Weg fokussiert. Was darüber hinaus passierte, nahm er kaum noch wahr. Er schoss, wich aus, steuerte den nächsten Gegner an. Wieder und wieder. Nadir merkte es selbst: Er wurde müde. Das Beste wäre jetzt gewesen, sich aus dem Getümmel zurückzuziehen, vielleicht direkt Minman anzusteuern, und vor allem, den weiteren Kampf frischeren Piloten zu überlassen.
Die Anzeige verriet, dass er noch das letzte Viertel seiner Waffenenergie mit sich herumtrug. Ich kann noch nicht zurück, sagte er sich. Es wäre ihm wie eine Flucht vorgekommen. Um ihn herum starben seine Kameraden. Da war es undenkbar, der Müdigkeit nachzugeben, auch wenn sie immer übermächtiger wurde.
Nadir feuerte. Er traf. Das fremde Schiff explodierte. Und Nadir suchte sich wieder ein Ziel.
Es wird Zeit, meldete sich die Stimme der Vernunft leise im Hinterkopf, als die Energieanzeige fast null signalisierte. Nadir verspürte ein schlechtes Gewissen deswegen, doch gleichzeitig auch Erleichterung. Er war bis an seine Grenzen gegangen, wahrscheinlich ein großes Stück darüber hinaus. Es wird wirklich Zeit, gestand er sich ein.
Er ließ den Susko-Jäger abdrehen und suchte sich einen möglichst gefahrlosen Weg aus der Schlacht, die noch immer mit unveränderter Intensität tobte. Mit etwas mehr Distanz erkannte Nadir nun, dass die Fremden einiges an Boden gut gemacht hatten. Langsam, aber sicher drängten sie die Elginen in ihr System hinein. Und während die Wachflotte Schiff um Schiff verlor, schien sich die Zahl der Angreifer nicht zu verringern.
Raus hier, dachte Nadir. Er brauchte ein Bett, sechs oder besser acht Stunden Schlaf, Nahrung. Dann würde er weiterkämpfen können. Bis dahin ist die Schlacht noch nicht vorbei. Sie mochte sich über Tage hinziehen. Die Elginen waren zwar deutlich unterlegen, aber sie leisteten erbittert Widerstand. Sie würden nicht einfach kapitulieren.
Sekundenbruchteile, bevor es geschah, überkam Nadir eine Vorahnung. »Nein«, wollte er rufen, doch da war es schon zu spät. Der Energiestrahl traf seinen Jäger mit ungeheurer Wucht. Nadir wurde wie von einer riesigen Faust gepackt, die Gurte rissen, es schleuderte ihn aus dem Sitz. Viel Platz war in der Steuerkanzel nicht. Dennoch schlug er mehrfach unsanft gegen Wände und Kontrollarmaturen. Benommenheit drohte, ihn zu übermannen. Er wehrte sich gegen den dunklen Strudel, der seine Gedanken verschlingen wollte. Es fiel ihm unendlich schwer, aber er schaffte es, der Bewusstlosigkeit zu widerstehen.
Paz Nadir rappelte sich auf. Er stöhnte, als er den stechenden Schmerz fühlte. Mit Mühe gelang es ihm, sich in den Sessel zu schieben, ehe seine Beine unter ihm nachgaben. Er spürte, wie es wärmer wurde. Feuer.Irgendwo in seinem Rücken brannte etwas. Nadir ersparte es sich, den Kopf zu drehen. Er fürchtete die neuerlichen Schmerzen. Das Feuer konnte er ohnehin nicht löschen. Ihm blieb nur die Hoffnung, dass es nicht so schlimm war.
Die noch funktionierenden Kontrollen reichten aus für einen groben Überblick. Von dem Schiff, das ihn getroffen hatte, fehlte jegliche Spur. Es musste seinen Jäger als Ausfall eingestuft und sich dem nächsten Gegner zugewandt haben. Für Glücksgefühle blieb keine Zeit: Nadir erkannte ebenso rasch, dass er es nicht schaffen würde, zurück nach Minman zu fliegen. Es würde nicht einmal reichen, um aus der Gefechtszone zu kommen. Der Susko war dem Untergang geweiht, die Steuerung irreparabel beschädigt, das Triebwerk hinüber, die Waffen nicht mehr in Betrieb. Dazu kam das Feuer: Es würde den Jäger rasch verzehren.
Das ist der Tod, dachte Nadir. Dann fing er an, über einen Ausweg nachzusinnen.
Er blendete den Kampf, der um ihn herum tobte, völlig aus und konzentrierte sich auf seine eigene Situation. Nadir studierte die Anzeigen fieberhaft und hoffte, dass sie ihm korrekte Werte lieferten. Nach einigen bangen Minuten entfuhr ihm ein Freudenschrei. »Das ist es«, sagte er.
Bei dem Schiff, das nicht weit von seinem Wrack entfernt durchs All trieb, handelte es sich im Flottenjargon um eine sogenannte »Kiste«, ein wenig filigranes, aber zuverlässiges Gefährt. In seiner Kadettenzeit war er damit geflogen. Damals hatte er das plumpe Ding gehasst, weil es im Vergleich zu den modernen Jägern eine Peinlichkeit darstellte. Jetzt war er bereit, allen Kisten, die er früher verflucht und verlacht hatte, tausendfache Abbitte zu leisten. Er hatte keine Ahnung, was das Schiff hier zu suchen hatte, warum es steuerungslos zu sein schien, warum die Anzeigen des Jägers der festen Überzeugung waren, dass es trotzdem noch flugtauglich war. Auch das Modul in seinem Handgelenk bestätigte diese Informationen. All das interessierte Nadir jetzt nicht. Er musste hinüber zu der Kiste. Dann würde er doch noch nicht sterben müssen. Nicht hier und nicht heute.
Tödliche Energiestrahlen fanden ihr Ziel, Raumschiffe explodierten, Menschen starben.
Paz Nadir fluchte, während er seinen Jäger durch das Inferno steuerte. Er kam kaum dazu, auf die Angreifer zu feuern. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, den gegnerischen Schüssen auszuweichen. Die Daten auf seinen Schirmen verkündeten eine schreckliche Bilanz: Die Verluste waren längst im dreistelligen Bereich.
Nadir befürchtete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch sein Schiff getroffen wurde. Aber er war noch nicht bereit zu sterben. »Heute nicht«, knurrte er.
Die Zahl der Angreifer wuchs unaufhörlich. Die sieben riesigen Mutterschiffe hatten am Rand des Sonnensystems Position bezogen, in direkter Nachbarschaft zu dem Wurmloch, aus dem sie so überraschend gekommen waren. Sie näherten sich Elgin nicht, sondern verharrten an Ort und Stelle. Sie transportierten das Verderben vieltausendfach in sich. Sie spuckten es aus. Und es verbreitete sich rasch, wie eine ansteckende Krankheit, die nicht aufgehalten werden konnte.
Die kleinen Schiffe hatten einen harmlosen Eindruck gemacht. Es gab keine einheitlichen Maße und keinen besonderen Bautyp. Manche hatten einen Durchmesser von nicht mehr als zehn Metern, die größten mochten hundertfünfzig Meter lang sein. Sie waren rund, röhrenförmig oder ähnelten plumpen Kästen. Einige wirkten, als seien sie aus den Überresten anderer zusammengesetzt worden; manche schienen der Phantasie eines verrückten Konstrukteurs entsprungen zu sein. Nichts ließ erkennen, dass sie zusammengehörten – außer der Tatsache, dass sie gemeinsam den Bauch der Mutterschiffe verlassen hatten.
Da die Fremden nicht auf Funksprüche reagierten, war ihnen ein Teil der elginschen Wachflotte entgegengeschickt worden. Nadir wusste, dass das Oberkommando anfangs an eine friedliche Kontaktaufnahme glaubte, die nur aufgrund eines Verständigungsproblems nicht sofort zustande kam. Wie naiv, dachte Paz Nadir. Er selbst hatte Misstrauen verspürt, als er von den fremden Schiffen erfahren hatte. Doch er hätte, das gestand er sich ehrlich ein, keinen konkreten Grund dafür nennen können. Inzwischen war es zu spät: Jeder wusste, was die Fremden wollten. Tod und Zerstörung.
Wie wütende Hornissen hatten sich ihre kleinen Schiffe auf die elginsche Flotte gestürzt und sie binnen weniger Minuten ohne Vorwarnung vollkommen aufgerieben. Die ersten Schüsse kamen aus heiterem Himmel, und sie hatten eine verheerende Wirkung. Die Waffen der Fremden waren mächtig, ihre Zahl groß. Die Schiffe Elgins hatten keine Chance.
Der Schock dauerte nur kurz. Nadirs Befehlshaber wussten, was die Stunde geschlagen hatte, und sie reagierten so schnell, wie es ihnen möglich war. Die zweite Flotte, die sie zu den Fremden schickten, hatte einen klaren Auftrag: Gegenwehr. Kampf. Vernichtung des Feindes. Gelang das nicht, musste er vertrieben werden – oder so lange aufgehalten, bis Unterstützung kam. Das Oberkommando hatte Boten entsandt, die in benachbarten Sonnensystemen, bei Elgins Freunden, um Hilfe werben sollten. Nadir hoffte, dass bald die ersten Schiffe von dort eintreffen würden. Wenn es dann nicht zu spät ist, dachte er mit leiser Verzweiflung.
Paz Nadir war auf Minman stationiert gewesen, als der Alarm ausgelöst wurde. Der Mond Machakecs, des fünften Planeten im Elgin-System, war ein kahler Gesteinsbrocken, bar jeglicher Bodenschätze und doch von großem Wert – als Stützpunkt und Trainingszentrum der Flotte. Nadir, ein junger Pilot mit umfangreicher Ausbildung, aber ohne Kampferfahrung, hatte hier den letzten Schliff erhalten. Chiantz, Mundil, Crook und ihre Kollegen zählten zu den besten Ausbildern, und sie hatten ihm, der sich für gut gehalten hatte, noch eine ganze Menge beibringen können. Wofür?, war ein Gedanke gewesen, der Nadir oft gequält hatte. Es hatte ihn immer in den Weltraum gezogen, und er fühlte sich am wohlsten, wenn er sein Raumschiff bis an die Grenzen der Belastung treiben konnte. Doch Elgin war eine Welt ohne größere Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass sein Heimatplanet seine Dienste für eine längere Zeit benötigen würde. Kriegerische Auseinandersetzungen hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Bis jetzt. Und nun bekam endlich auch wieder die Flotte ihren Sinn, über deren schrittweise Verkleinerung die Politiker immer mal wieder philosophierten, wenn sie um die Wählergunst buhlten. Was für ein Glück, dass es nicht so weit gekommen ist, dachte Nadir.
Dennoch: Die Flotte war schon schlagkräftiger als heute gewesen. Den Fremden war sie hoffnungslos unterlegen. Die größeren Schiffe erwiesen sich als zu schwerfällig, die kleineren hatten Mühe, koordinierte Angriffe zu fliegen, war doch die Ordnung in den eigenen Reihen längst verloren gegangen.
Nadir saß in einem der modernsten Jäger Elgins, Typ Susko-34, optisch einem klassischen Kampfflugzeug nachempfunden, rund dreiundzwanzig Meter lang, sechs Meter hoch, mit einer Spannweite von knapp fünfzehn Metern. Damit stellte er ein sehr kleines Ziel dar, das nicht einfach zu treffen war. Wichtiger noch waren seine Offensivqualitäten. Der Susko besaß eine extrem hohe Manövrierfähigkeit, die ihm eine aberwitzige Wendigkeit bescherte, er trug ein großes Waffenarsenal mit sich herum, war unglaublich schnell und verfügte über einen weiten Einsatzradius. Es war keine zehn Tage her, dass Nadir erstmals in einem der brandneuen Suskos, frisch von der Werft ausgeliefert, hatte Platz nehmen dürfen. Der Pilot fühlte sich in dem kleinen Jäger sofort wohl. Das ist genau mein Schiff, freute sich Nadir. An einen Ernstfall hatte er da noch keinen Gedanken verschwendet. Und jetzt steckte er mittendrin.
Das Modul, das in seinem Handgelenk implantiert war, piepste leise. Er hatte eine tiefe Abneigung gegen das Gerät, doch jetzt rettete es ihm das Leben. Seine Finger flogen über die Kontrollen. In letzter Sekunde machte der Susko einen Hüpfer und wich einem grellen Strahl aus, der ihn mittschiffs durchbohrt hätte. Nadir erwiderte das Feuer: Die Energiekammern waren zu drei Vierteln gefüllt, er würde sich also eine Weile seiner Haut erwehren können, falls er lange genug lebte. Der Schuss traf, das gegnerische Schiff – ein Ellipsoid, dessen Oberfläche mit unendlich vielen Antennen übersät war, sodass es aussah wie ein überdimensionaler Igel – zerplatzte wie eine reife Frucht. »Stirb«, flüsterte Nadir und fühlte sich gut dabei. Er fragte sich nur kurz, wie die Fremden da drüben aussehen mochten, dann konzentrierte er sich wieder auf die Schlacht.
Sein Jäger stob durch die Trümmerwolke, in die sich das Igel-Schiff verwandelt hatte. Nadir hielt Ausschau nach dem nächsten Ziel. Die Anzeigen bestätigten seine Befürchtungen: Die Übermacht war längst nicht gebrochen, und er hatte Zweifel, ob das überhaupt gelingen konnte.
Nicht aufgeben, sagte er sich. Elgin darf nicht …
Der Angriff kam unerwartet. Der Schuss verfehlte den Susko nur knapp, Nadir änderte instinktiv die Flugrichtung und konnte so auch dem nächsten Energiestrahl ausweichen. Er beschleunigte und feuerte gleichzeitig mit den Heckkanonen. Einen Treffer landete er zwar nicht, aber es reichte, um das andere Schiff abzuschütteln.
Das war Glück, dachte Nadir. Er merkte, wie ihn die Schlacht mitnahm. Das Geschehen drohte, immer unwirklicher zu werden. Nadir war völlig auf seinen eigenen Weg fokussiert. Was darüber hinaus passierte, nahm er kaum noch wahr. Er schoss, wich aus, steuerte den nächsten Gegner an. Wieder und wieder. Nadir merkte es selbst: Er wurde müde. Das Beste wäre jetzt gewesen, sich aus dem Getümmel zurückzuziehen, vielleicht direkt Minman anzusteuern, und vor allem, den weiteren Kampf frischeren Piloten zu überlassen.
Die Anzeige verriet, dass er noch das letzte Viertel seiner Waffenenergie mit sich herumtrug. Ich kann noch nicht zurück, sagte er sich. Es wäre ihm wie eine Flucht vorgekommen. Um ihn herum starben seine Kameraden. Da war es undenkbar, der Müdigkeit nachzugeben, auch wenn sie immer übermächtiger wurde.
Nadir feuerte. Er traf. Das fremde Schiff explodierte. Und Nadir suchte sich wieder ein Ziel.
Es wird Zeit, meldete sich die Stimme der Vernunft leise im Hinterkopf, als die Energieanzeige fast null signalisierte. Nadir verspürte ein schlechtes Gewissen deswegen, doch gleichzeitig auch Erleichterung. Er war bis an seine Grenzen gegangen, wahrscheinlich ein großes Stück darüber hinaus. Es wird wirklich Zeit, gestand er sich ein.
Er ließ den Susko-Jäger abdrehen und suchte sich einen möglichst gefahrlosen Weg aus der Schlacht, die noch immer mit unveränderter Intensität tobte. Mit etwas mehr Distanz erkannte Nadir nun, dass die Fremden einiges an Boden gut gemacht hatten. Langsam, aber sicher drängten sie die Elginen in ihr System hinein. Und während die Wachflotte Schiff um Schiff verlor, schien sich die Zahl der Angreifer nicht zu verringern.
Raus hier, dachte Nadir. Er brauchte ein Bett, sechs oder besser acht Stunden Schlaf, Nahrung. Dann würde er weiterkämpfen können. Bis dahin ist die Schlacht noch nicht vorbei. Sie mochte sich über Tage hinziehen. Die Elginen waren zwar deutlich unterlegen, aber sie leisteten erbittert Widerstand. Sie würden nicht einfach kapitulieren.
Sekundenbruchteile, bevor es geschah, überkam Nadir eine Vorahnung. »Nein«, wollte er rufen, doch da war es schon zu spät. Der Energiestrahl traf seinen Jäger mit ungeheurer Wucht. Nadir wurde wie von einer riesigen Faust gepackt, die Gurte rissen, es schleuderte ihn aus dem Sitz. Viel Platz war in der Steuerkanzel nicht. Dennoch schlug er mehrfach unsanft gegen Wände und Kontrollarmaturen. Benommenheit drohte, ihn zu übermannen. Er wehrte sich gegen den dunklen Strudel, der seine Gedanken verschlingen wollte. Es fiel ihm unendlich schwer, aber er schaffte es, der Bewusstlosigkeit zu widerstehen.
Paz Nadir rappelte sich auf. Er stöhnte, als er den stechenden Schmerz fühlte. Mit Mühe gelang es ihm, sich in den Sessel zu schieben, ehe seine Beine unter ihm nachgaben. Er spürte, wie es wärmer wurde. Feuer.Irgendwo in seinem Rücken brannte etwas. Nadir ersparte es sich, den Kopf zu drehen. Er fürchtete die neuerlichen Schmerzen. Das Feuer konnte er ohnehin nicht löschen. Ihm blieb nur die Hoffnung, dass es nicht so schlimm war.
Die noch funktionierenden Kontrollen reichten aus für einen groben Überblick. Von dem Schiff, das ihn getroffen hatte, fehlte jegliche Spur. Es musste seinen Jäger als Ausfall eingestuft und sich dem nächsten Gegner zugewandt haben. Für Glücksgefühle blieb keine Zeit: Nadir erkannte ebenso rasch, dass er es nicht schaffen würde, zurück nach Minman zu fliegen. Es würde nicht einmal reichen, um aus der Gefechtszone zu kommen. Der Susko war dem Untergang geweiht, die Steuerung irreparabel beschädigt, das Triebwerk hinüber, die Waffen nicht mehr in Betrieb. Dazu kam das Feuer: Es würde den Jäger rasch verzehren.
Das ist der Tod, dachte Nadir. Dann fing er an, über einen Ausweg nachzusinnen.
Er blendete den Kampf, der um ihn herum tobte, völlig aus und konzentrierte sich auf seine eigene Situation. Nadir studierte die Anzeigen fieberhaft und hoffte, dass sie ihm korrekte Werte lieferten. Nach einigen bangen Minuten entfuhr ihm ein Freudenschrei. »Das ist es«, sagte er.
Bei dem Schiff, das nicht weit von seinem Wrack entfernt durchs All trieb, handelte es sich im Flottenjargon um eine sogenannte »Kiste«, ein wenig filigranes, aber zuverlässiges Gefährt. In seiner Kadettenzeit war er damit geflogen. Damals hatte er das plumpe Ding gehasst, weil es im Vergleich zu den modernen Jägern eine Peinlichkeit darstellte. Jetzt war er bereit, allen Kisten, die er früher verflucht und verlacht hatte, tausendfache Abbitte zu leisten. Er hatte keine Ahnung, was das Schiff hier zu suchen hatte, warum es steuerungslos zu sein schien, warum die Anzeigen des Jägers der festen Überzeugung waren, dass es trotzdem noch flugtauglich war. Auch das Modul in seinem Handgelenk bestätigte diese Informationen. All das interessierte Nadir jetzt nicht. Er musste hinüber zu der Kiste. Dann würde er doch noch nicht sterben müssen. Nicht hier und nicht heute.
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