Trixi Darjeeling denkt, sie hätte alle Probleme gelöst: Mit ihrem selbstgebauten Raumschiff Skolopendra will sie ihrer arrangierten Ehe und der Verantwortung für das Familienimperium entkommen. Aber das ist nicht so einfach, denn die Welten des Konsortiums riegelten ihr Herrschaftsgebiet bereits vor einem halben Jahrtausend ab, die Fähigkeit, andere Systeme zu erreichen, ging verloren.
Als die Skolopendra in einen Unfall mit einem fremdartigen Raumschiff verwickelt wird, eine Revolution ausbricht und die Nachricht von der besetzten Erde eintrifft, ist die Hochzeit bald Trixis geringstes Problem.
(4) Der Schwarm der Trilobiten
€12,95
D9E – Die Neunte Expansion Band 4
Nadine Boos – Der Schwarm der Trilobiten
Paperback, 278 Seiten
Kategorie: D9E - Die neunte Expansion
Schlagwörter: D9E, Nadine Boos, Reihe, Science Fiction, Space Opera
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Nah bei den Schwarzen Rauchern schmeckte jeder Atemzug nach Gefahr. Es war ein kitzeliges, schwefeliges Aroma, das Kalmi begierig durch ihre weit aufgefächerten Kiemen einsog. Die vulkanischen Felder riechschmeckten mal bittersüß, mal schal, mal mineralienreich, mal nach Hitze. Sie liebte die tückische Mischung der Stoffe in diesem Bereich der Tiefsee. So nah an den Schwaden der Schlote entschied ein unvorsichtiger Flossenschlag zwischen Leben und Tod. Stets bestand die Gefahr, in eine tödlich sauerstoffarme Zone zu geraten oder vom heißen Wasser, das hier aus dem Inneren des Planeten emporsprudelte, bei lebendigem Leib gekocht zu werden. Kam sie zu nah an die Schwaden heran, prickelte die Hitze auf ihrer Haut, während der abgewandte Teil ihres Körpers im eiskalten Wasser erschauderte.
Aber nicht nur dieser Kitzel lockte sie immer wieder dorthin. Es war die Ruhe, die solche Ausflüge mit sich brachten. Jene Ruhe, die sie in diesen Tagen so dringend benötigte.
Träge umkreiste Kalmi die Schwarzen Raucher, ohne jemals unachtsam zu werden. Sie kannte dieses Gebiet sehr gut, doch die Schlote veränderten sich, erloschen, stürzten ein oder rissen weiter auf. Ihre Umgebung spürte sie über ihre Haut, denn in den lichtlosen Tiefen waren Augen nutzlos. Eines Tages würde der Meeresboden sich unter dem Druck der Magmaströme weit genug heben, um ein diffuses Zwielicht zuzulassen – in vielen Millionen Jahren. Dann wäre der Boden längst nicht mehr derselbe, das Licht würde auf Sedimente treffen, die jetzt Säulen, Bakterien und invertebrate Lebensformen waren.
Nachdenklich glitt Kalmi an einem der Schlote hinunter. Zwanzig Körperlängen schätzte sie. Genussvoll riechschmeckte sie Schwefel und Eisen im Wasser sowie die ersten Anzeichen von Leben einer höheren Stufe als Einzeller. Gleichzeitig wurden die Gefühlgedanken der Lebewesen immer deutlicher. Sie erspürte eine jagende, schneeweiße Krabbe mit dürren Beinen und strich mit der Handflosse über eine Ansammlung winziger, roter Riftia-Bartwürmer, die wie Seegras in ihren Röhren schwankten. Ihre Farbe half ihnen, die Infrarotstrahlung des Schlots zu nutzen. Die meisten Lebewesen in der Nähe der Raucher lebten in Symbiose miteinander. Die Würmer besaßen keinen eigenen Verdauungstrakt, sondern überließen es Mikroorganismen, den Schwefel zu verwerten und sie mit lebenswichtigen Nährstoffen zu versorgen. Kalmi dachte über die Experimente der Wissenschaftler nach, die so gern das Hämoglobin der kleinen Würmer nachgebaut hätten, um ihnen, den Asmini, die Nutzung der Infrarotstrahlung zu ermöglichen. Und sie wollten Teile des Bakterien-Genoms verwenden, um das Atmen von Schwefelwasserstoff Wirklichkeit werden zu lassen.
Kalmi bedauerte, die Bartwürmer verlassen zu müssen. Nicht bloß für heute, sondern für sehr lange Zeit, wahrscheinlich für immer. In wenigen Stunden würde sie aus dem Meer auftauchen und in den Orbit starten. Bartwurm-Larven hatte sie in ihrem Trilob, diesem noch so fremden Raumschiff, gesät. Aber das war kein Ersatz für ein Meer voller Leben oder für die brodelnde Kraft der Schwarzen Raucher.
Tief atmete sie ein. Dann drückte sie das würzige Wasser so langsam wie nur möglich durch ihre Kiemen, als könnte sie so die Erinnerung fester in sich verankern. Die Erinnerung an ihre Heimat, die sie für immer verlassen musste, um in die wasserlosen Weiten des Weltalls aufbrechen zu können.
Die Stimme des Schwarms wurde eindringlicher. An einer anderen Stelle des Meeres stritt der Rat um etwas. Das sonore Grollen und Sprudeln der Schwarzen Raucher und die langsamen, aber eindringlichen Bilder der Bartwürmer dämpften die Schallwellen stark. Dennoch konnte Kalmi die Dialekte der einzelnen Stämme und die Nuancen der Stimmen unterscheiden. Vermutlich waren die Häuptlinge uneins, wo das genaue Ziel der Reise lag. Fort von der sich vergrößernden Sphäre der Eroberer, bevor die Welle der Feinde ihre Heimat überspülte. Ja, das stand fest. Stern-Systeme mit Wasserplaneten, die in vertretbaren Zeiträumen durch das Zwischen-All zu erreichen waren, gab es genügend. Eine schöne Welt, außerhalb der Reichweite der Eroberer, war aber noch lange keine neue Heimat.
Nachdenklich ließ Kalmi sich treiben, legte sich auf den Rücken und spürte das Kitzeln der Röhrenwürmer an ihrer kurzen Finne. Wie es wohl sein würde, länger als für ein paar Tage ohne die Stimmen des Schwarms zu reisen? Allein mit dem Großen Ich, in dem viele Stimmen schwebten, aber eben nur die primitiven Stimmen des Großen Ichs, das zum Rechnen und Navigieren da war, nicht für tiefsinnige Gespräche oder positive Emotionen. Invertebraten eben. Man konnte von Wirbellosen nicht das Niveau von Wirbeltieren erwarten. Sie waren Kalmis Begleiter ins All und ins Zwischen-All. Das Rauschen der Freunde, das Blubbern der Familie: weit weg. So weit. Vielleicht waren die Kraken ganz unterhaltsam, aber das war es schon. Vor Quallengedanken schauderte es ihr. Riftia wurden auf Dauer wohl ebenfalls uninteressant. Langzeitflüge hatte sie noch nicht unternommen. Niemand hatte das.
In den letzten Dekaden hatte der Groß-Schwarm das All mit Sonden erforscht, neugierig zunächst. Dann hatten die Asmini die Eroberer aufgespürt und zuverlässig errechnet, wann dieses Reich seine Grenzen weitertreiben würde. Die Ergebnisse waren erschreckend. Vor allem, was die zeitliche Nähe der nächsten Expansion betraf. Es war den Asmini gerade noch gelungen, den Flug durch das wasserlose All zu erlernen und eine ausreichend große Flotte an Transportern zu bauen, mit der alle in Sicherheit gebracht werden sollten. Damit hatten sie nur wenige Wochen Vorsprung vor den Eroberern.
Mit einem Schaudern spürte Kalmi zum ersten Mal an diesem Tag die Eiseskälte des Wassers. Der Schwarm musste bald aufbrechen, die Zeit wurde knapp. Seit Wochen wurden die Sippen zu den riesigen Mantas in den Orbit gebracht. Der Exodus der Asmini war so gewaltig, dass der Meeresspiegel absank. Das Gleichgewicht der Ökosysteme würde sich verschieben. Aber das war bedeutungslos, denn sobald die Eroberer ihren Fuß auf die alte Heimat setzten, würde sich ohnehin alles ändern.
Wohin trieb die Flucht den Schwarm? Würden sie ewig zwischen den Sternen herumirren, bis der letzte Geschmack der alten Heimat aus dem Wasser der Mantas gewichen war? Würden die Eroberer sie einholen und vernichten? Würde es Kalmi und den anderen Entdeckern in ihren wendigen, schnellen Trilobs gelingen, eine neue Heimat zu finden?
Furcht trieb durch das Wasser wie ein unterseeisches Beben, bevor es einen Tsunami an die Küste warf. Kalmis Kopfbeflossung zog sich fester zusammen. Sie wollte die Stimmen des Schwarms noch weiter dimmen, damit diese ihre Ängste nicht weiter vervielfachten und verstärkten. Mühevoll schloss sie den Schwarm aus ihren Gedanken aus, um die letzten Stunden in ihrer Heimat zu genießen. Andernfalls würde sie nie loslassen können.
Die Stimmen wurden gedämpfter, als Kalmi unter dem nächsten Schlot entlangschwamm. Dann fiel ihr endlich ein, wie sie doch ein Stück Heimat mit sich nehmen konnte: Sie würde ihrem Trilob einen Namen geben. Endlich kam die Ruhe, die sie herbeigesehnt hatte. Riftia würde ab sofort mehr als ein All-Transporter sein oder ein Großes Ich. Ab sofort war es ihr Gefährte.
Aber nicht nur dieser Kitzel lockte sie immer wieder dorthin. Es war die Ruhe, die solche Ausflüge mit sich brachten. Jene Ruhe, die sie in diesen Tagen so dringend benötigte.
Träge umkreiste Kalmi die Schwarzen Raucher, ohne jemals unachtsam zu werden. Sie kannte dieses Gebiet sehr gut, doch die Schlote veränderten sich, erloschen, stürzten ein oder rissen weiter auf. Ihre Umgebung spürte sie über ihre Haut, denn in den lichtlosen Tiefen waren Augen nutzlos. Eines Tages würde der Meeresboden sich unter dem Druck der Magmaströme weit genug heben, um ein diffuses Zwielicht zuzulassen – in vielen Millionen Jahren. Dann wäre der Boden längst nicht mehr derselbe, das Licht würde auf Sedimente treffen, die jetzt Säulen, Bakterien und invertebrate Lebensformen waren.
Nachdenklich glitt Kalmi an einem der Schlote hinunter. Zwanzig Körperlängen schätzte sie. Genussvoll riechschmeckte sie Schwefel und Eisen im Wasser sowie die ersten Anzeichen von Leben einer höheren Stufe als Einzeller. Gleichzeitig wurden die Gefühlgedanken der Lebewesen immer deutlicher. Sie erspürte eine jagende, schneeweiße Krabbe mit dürren Beinen und strich mit der Handflosse über eine Ansammlung winziger, roter Riftia-Bartwürmer, die wie Seegras in ihren Röhren schwankten. Ihre Farbe half ihnen, die Infrarotstrahlung des Schlots zu nutzen. Die meisten Lebewesen in der Nähe der Raucher lebten in Symbiose miteinander. Die Würmer besaßen keinen eigenen Verdauungstrakt, sondern überließen es Mikroorganismen, den Schwefel zu verwerten und sie mit lebenswichtigen Nährstoffen zu versorgen. Kalmi dachte über die Experimente der Wissenschaftler nach, die so gern das Hämoglobin der kleinen Würmer nachgebaut hätten, um ihnen, den Asmini, die Nutzung der Infrarotstrahlung zu ermöglichen. Und sie wollten Teile des Bakterien-Genoms verwenden, um das Atmen von Schwefelwasserstoff Wirklichkeit werden zu lassen.
Kalmi bedauerte, die Bartwürmer verlassen zu müssen. Nicht bloß für heute, sondern für sehr lange Zeit, wahrscheinlich für immer. In wenigen Stunden würde sie aus dem Meer auftauchen und in den Orbit starten. Bartwurm-Larven hatte sie in ihrem Trilob, diesem noch so fremden Raumschiff, gesät. Aber das war kein Ersatz für ein Meer voller Leben oder für die brodelnde Kraft der Schwarzen Raucher.
Tief atmete sie ein. Dann drückte sie das würzige Wasser so langsam wie nur möglich durch ihre Kiemen, als könnte sie so die Erinnerung fester in sich verankern. Die Erinnerung an ihre Heimat, die sie für immer verlassen musste, um in die wasserlosen Weiten des Weltalls aufbrechen zu können.
Die Stimme des Schwarms wurde eindringlicher. An einer anderen Stelle des Meeres stritt der Rat um etwas. Das sonore Grollen und Sprudeln der Schwarzen Raucher und die langsamen, aber eindringlichen Bilder der Bartwürmer dämpften die Schallwellen stark. Dennoch konnte Kalmi die Dialekte der einzelnen Stämme und die Nuancen der Stimmen unterscheiden. Vermutlich waren die Häuptlinge uneins, wo das genaue Ziel der Reise lag. Fort von der sich vergrößernden Sphäre der Eroberer, bevor die Welle der Feinde ihre Heimat überspülte. Ja, das stand fest. Stern-Systeme mit Wasserplaneten, die in vertretbaren Zeiträumen durch das Zwischen-All zu erreichen waren, gab es genügend. Eine schöne Welt, außerhalb der Reichweite der Eroberer, war aber noch lange keine neue Heimat.
Nachdenklich ließ Kalmi sich treiben, legte sich auf den Rücken und spürte das Kitzeln der Röhrenwürmer an ihrer kurzen Finne. Wie es wohl sein würde, länger als für ein paar Tage ohne die Stimmen des Schwarms zu reisen? Allein mit dem Großen Ich, in dem viele Stimmen schwebten, aber eben nur die primitiven Stimmen des Großen Ichs, das zum Rechnen und Navigieren da war, nicht für tiefsinnige Gespräche oder positive Emotionen. Invertebraten eben. Man konnte von Wirbellosen nicht das Niveau von Wirbeltieren erwarten. Sie waren Kalmis Begleiter ins All und ins Zwischen-All. Das Rauschen der Freunde, das Blubbern der Familie: weit weg. So weit. Vielleicht waren die Kraken ganz unterhaltsam, aber das war es schon. Vor Quallengedanken schauderte es ihr. Riftia wurden auf Dauer wohl ebenfalls uninteressant. Langzeitflüge hatte sie noch nicht unternommen. Niemand hatte das.
In den letzten Dekaden hatte der Groß-Schwarm das All mit Sonden erforscht, neugierig zunächst. Dann hatten die Asmini die Eroberer aufgespürt und zuverlässig errechnet, wann dieses Reich seine Grenzen weitertreiben würde. Die Ergebnisse waren erschreckend. Vor allem, was die zeitliche Nähe der nächsten Expansion betraf. Es war den Asmini gerade noch gelungen, den Flug durch das wasserlose All zu erlernen und eine ausreichend große Flotte an Transportern zu bauen, mit der alle in Sicherheit gebracht werden sollten. Damit hatten sie nur wenige Wochen Vorsprung vor den Eroberern.
Mit einem Schaudern spürte Kalmi zum ersten Mal an diesem Tag die Eiseskälte des Wassers. Der Schwarm musste bald aufbrechen, die Zeit wurde knapp. Seit Wochen wurden die Sippen zu den riesigen Mantas in den Orbit gebracht. Der Exodus der Asmini war so gewaltig, dass der Meeresspiegel absank. Das Gleichgewicht der Ökosysteme würde sich verschieben. Aber das war bedeutungslos, denn sobald die Eroberer ihren Fuß auf die alte Heimat setzten, würde sich ohnehin alles ändern.
Wohin trieb die Flucht den Schwarm? Würden sie ewig zwischen den Sternen herumirren, bis der letzte Geschmack der alten Heimat aus dem Wasser der Mantas gewichen war? Würden die Eroberer sie einholen und vernichten? Würde es Kalmi und den anderen Entdeckern in ihren wendigen, schnellen Trilobs gelingen, eine neue Heimat zu finden?
Furcht trieb durch das Wasser wie ein unterseeisches Beben, bevor es einen Tsunami an die Küste warf. Kalmis Kopfbeflossung zog sich fester zusammen. Sie wollte die Stimmen des Schwarms noch weiter dimmen, damit diese ihre Ängste nicht weiter vervielfachten und verstärkten. Mühevoll schloss sie den Schwarm aus ihren Gedanken aus, um die letzten Stunden in ihrer Heimat zu genießen. Andernfalls würde sie nie loslassen können.
Die Stimmen wurden gedämpfter, als Kalmi unter dem nächsten Schlot entlangschwamm. Dann fiel ihr endlich ein, wie sie doch ein Stück Heimat mit sich nehmen konnte: Sie würde ihrem Trilob einen Namen geben. Endlich kam die Ruhe, die sie herbeigesehnt hatte. Riftia würde ab sofort mehr als ein All-Transporter sein oder ein Großes Ich. Ab sofort war es ihr Gefährte.
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