Die Rache des Dr. Nikola (1)

Vorwort von Michael Böhnhardt (Übersetzer und Herausgeber)

Zwischen 1895 und 1901 erschienen fünf Romane aus der Feder des Australiers Guy Newell Boothby, in denen einer der ersten Serienverbrecher der Trivialliteratur sein Unwesen trieb: Doctor Nikola. Er war übersinnlich begabt, vertrieb sich die Zeit mit wahnwitzigen Experimenten und strebte, wie jeder Schurke, der etwas auf sich hält, nach der Weltherrschaft. Sein Maskottchen war eine große schwarze Katze, die auf seiner Schulter zu hocken pflegte.
• 1895 - A Bid for Fortune, or Dr. Nikola‘s Vendetta (erschien auch als: Enter Dr. Nikola!)
• 1896 - Dr. Nikola
• 1898 - The Lust of Hate
• 1899 - Dr. Nikola‘s Experiment
• 1901 - Farewell, Nikola
Von diesen Romanen fällt der dritte, The Lust of Hate, aus der Reihe. Es dreht sich nicht wirklich um den kriminellen Doktor, dieser spielt nur eine unbedeutende Nebenrolle: Er ermöglicht dem eigentlichen Protagonisten des Romanes, sich an seinem verhassten Feind zu rächen. Wie viele andere Schriftsteller hatte Boothby wohl einfach Spaß daran, seine Figuren auch in anderen Werken seines Universums auftreten zu lassen.
Guy Newell Boothby wurde am 13. Oktober 1867 in Adelaide in Australien geboren. Seine Eltern waren Agnes und Thomas Boothby. Guy war der älteste von drei Söhnen. Sein Vater war ein Mitglied des Parlamentes von Südaustralien. Seine Mutter stammte aus Salisbury in England, dort ging Guy von 1874 bis 1883 zur Schule. Nach Australien zurückgekehrt, versuchte er sich als Theaterautor, während er als Sekretär des Bürgermeisters arbeitete. Da sich der erwartete Erfolg nicht einstellte, durchstreifte er 1891/92 den australischen Kontinent. Seine Erlebnisse veröffentlichte er 1894 in On the Wallaby: or, Through the East and Across Australia. 1895 siedelte er nach England über und ließ sich in Champion Hill nieder. Dort heiratete er am 8. Oktober desselben Jahres Rose Alice Bristowe. Das Paar hatte zwei Töchter und einen Sohn. Später, ermöglicht durch den zunehmenden schriftstellerischen Erfolg, zog er nach Winsley Lodge, ein Herrenhaus in Boscombe in der Nähe von Bournemouth an der Südküste Englands. Man kann ihn durchaus als Bestsellerautor bezeichnen, und er pflegte einen entsprechenden Lebensstil. Er verdiente bis zu 20000 Pfund pro Jahr, züchtete Pferde und Hunde und stattete sein Aquarium mit exotischen Fischen aus. Am 26. Februar 1905 starb er im Alter von 37 Jahren überraschend an einer Lungenentzündung. Er hinterließ zwei Töchter und einen Sohn.
Boothby war ein ungemein fleißiger Autor. In den nur elf Jahren seines Schaffens schrieb er etwa fünfzig Romane. Er pflegte seine Romane in Wachs-Zylinder-Phonographen zu diktieren, und während diese abgetippt wurden, schon an den nächsten Seiten zu arbeiten. Auf diese Weise konnte er in zehn Tagen Romane von einem Umfang von 60.000 Wörtern schreiben, wie Richard Le Gallienne 1915 in Vanishing Roads and Other Essays berichtet. Schon zu dieser Zeit war Boothby fast vergessen.
Zu Recht? Nun, die literarische Qualität seiner Werke war ihm nicht so wichtig, solange sich verkaufte, was er schrieb.
Aber immerhin hat er mit Dr. Nikola den ersten Serienschurken geschaffen, und auch anderen Figuren aus seinem Sujet begegnet man bis heute immer wieder. Der erste Gentleman-Gauner war nicht etwa Hornungs Raffles, sondern Simon Carne aus A Prince of Swindlers. In Pharos, The Egyptian begegnen wir Mumien und altägyptischen Magiern. In The Duchess of Wiltshire‘s Diamonds taucht Klimo auf, ein hervorragender Detektiv, der aus Langeweile selbst zum Dieb wird. In The Beautiful White Devil macht eine Piratin als eine Art weiblicher Robin Hood das Chinesische Meer unsicher.
Boothby gab dem Publikum, was es wollte.
Und bis heute scheint es dasselbe zu wollen.